Revenge Bedtime Procrastination

報復性熬夜

Aus dem Taiwanesischen (報復性熬夜) frei übersetzt ins Deutsche würde es Sinngemäß “Vergeltung mittels spätabendlicher Prokrastination” bedeuten. Im Englischen als Revenge Bedtime Procrastination (RBP) betitelt, beschreibt dieser Gedanke einen Sachverhalt, der vielen von uns bekannt vorkommen kann.

Eine Definitionaus unserer Sicht

Zu später Abendstunde beginnen wir unaufhörlich (meist) unnütze Web-Inhalte zu konsumieren, schauen trivialste Dokumentationen, lassen uns vom Ludic Loop der sozialen Plattformen fangen und vergessen, durch die Sättigung aus Leere, jegliche Zeit und jedes Gespür für unser aktuelles Wirken in der Gesellschaft. Es hört sich schlimm an, aber es ist auch eine Art der Kompensation, des Wiedergutmachens. Sobald wir uns in starren Strukturen befinden und uns getakteten Tagesabläufen hingeben, scheint das Unterbewusstsein gegen diesen Modus zu rebellieren.

Der Vorgaben der Institutionen (Schule, Universität, Kindergarten, etc.) und auch der Arbeits- und Kommunikationsrythmen des Berufslebens geschuldet, werden immer feste Zeitfenster für bestimmte Tätigkeiten existieren. Unser intrinsischer Drang zur Freiheit verschafft sich seinen kleinen Spielraum dann, wenn ein Aufgabenvakuum entsteht. Dann wenn die magische Uhrzeit von ca. 22:00 Uhr überschritten ist, keine beruflichen Nachrichten zu erwarten sind, keine Familiären Verpflichtungen mehr anstehen und man sich schlafen legen könnte, dann rächt man sich vorerst noch an der ganzen unfreiwillig, für andere Tätigkeiten als der eigenen Lust, genutzten Zeit. Man prokrastiniert auf höchstem Niveau, stundenlang.

Diese Zeit bewusst für sinnvollere Tätigkeiten zu nutzen kann ich jedem ans Herz legen. Zu schnell gehen zwei wertvolle Stunden am Abend vorbei. Zehn Stunden in der Woche und Vierzig im Monat. Genug um Musik zu schreiben, Marketingmaßnahmen zu planen oder sein Leben zu überdenken. Einige Menschen nutzen diese Off-Times bewusst als festen Zeitblock um etwas zu erlernen, für das sie ansonsten keine Kapazitäten hätten, hier jedoch ganz offensichtlich vertane Zeit genutzt werden könnte. Mir schrieb diesbezüglich letztens ein alter Freund eine Nachricht:

Salut, comment ça va ?
Qu’est-ce que vous avez fait ?

Je viens de découvrir quelque chose d’assez intéressant pour moi. En tant que banlieusard, vous savez que je passe une bonne heure par jour dans le train juste pour aller et revenir du travail. J’ai extrapolé cela : Près de 250 heures de vie pure, irrécupérable et nirvanienne par an. C’est pourquoi j’ai commencé à apprendre le français avec un livre audio. J’y travaille depuis quelques mois maintenant et je vais peut-être faire le Rilke et m’installer à Paris.

Voyez par vous-même où vous laissez le temps s’écouler. Il est bon de se détendre. Mais vous devez aussi vous détendre activement et consciemment. Sinon, utilisez toutes les heures en nettoyant la maison ou sur l’autoroute ou le soir lorsque vous êtes devant l’ordinateur. J’attends votre réponse au moins en français ou dans une autre langue de votre choix.

répondez-moi, salutations.

Zu Deutsch:

Hey, wie gehts dir?

Was treibst du so?

Ich hab seit längerem etwas ziemlich interessantes für mich entdeckt. Als Pendler hänge ich ja wie du weißt täglich eine gute Stunde in der Bahn rum, nur um zur Arbeit und wieder zurück kommen. Ich habe das mal hochgerechnet: Fast 250 Stunden reine, pure, unwiederbringliche, im Nirvana dahingeraffte Lebenszeit gehen da jährlich drauf. Ich hab deswegen angefangen mit einem Hörbuch französisch zu lernen. Bin jetzt seit ein paar Monaten dabei und vielleicht mach ich den Rilke und ziehe nach Paris. Schaue mal selbst wo du Zeit einfach verstreichen lässt. Es ist ja gut sich zu entspannen. Dann sollte man sich aber auch aktiv und bewusst entspannen. Ansonsten nutze mal die ganzen Stunden beim Hausputz oder auf der Autobahn oder Abends wenn du am Rechner hängst. Ich erwarte deine Antwort mindestens in gebrochenem französisch oder einer anderen Sprache deiner Wahl.

Meld’ dich, Grüße.

 

Ich persönlich entgehe der RBP nicht immer. Gelegentlich lasse ich mich von ihr fangen und ergebe mich dem schicksalhaften Nichts, dass uns ein lauter Web-Feed und dagegen ein leises Ego gelegentlich beschert. Schaffe ich es jedoch das Muster früh genug zu erkennen, freue ich mich über produktive Stunden oder aktiv genutzte Freizeit.